Coast Contemporary: Mit Schiff, Fisch & Schaum

Installation von Gerasimos Floratos für die "Cabin Series"

Kuratiert von Schloss (Ausstellungsraum)

Installation von Gerasimos Floratos für die "Cabin Series"

Kuratiert von Schloss (Ausstellungsraum)

Daisuke Kosugi
„Good Name (Bad Phrase)“ (2017)
Lofoten Biennale 2017

Daisuke Kosugi
„Good Name (Bad Phrase)“ (2017)
Lofoten Biennale 2017

Adam Linder
„To Gear A Joan/“ /(2017)
Lofoten Biennale 2017

Adam Linder
„To Gear A Joan(2017)
Lofoten Biennale 2017

Dan Graham
"utten titel" (1996), Auftragsarbeit für Art Scape Nordland
 

Dan Graham
"utten titel" (1996), Auftragsarbeit für Art Scape Nordland
 

MS Trollfjord

MS Trollfjord

Installation von Hanna Fauske für die "Cabin Series"

Kuratiert von Rake visningsrom

Installation von Hanna Fauske für die "Cabin Series"

Kuratiert von Rake visningsrom

Installation von Hanna Fauske für die "Cabin Series"

Kuratiert von Rake visningsrom

Installation von Hanna Fauske für die "Cabin Series"

Kuratiert von Rake visningsrom

Performance von Nora Joung für die "Cabin Series"

Kuratiert von Rhea Dall für UKS

Performance von Nora Joung für die "Cabin Series"

Kuratiert von Rhea Dall für UKS

Überquerung des Polarkreises

Überquerung des Polarkreises

Performance von Hanne Lippard für die "Cabin Series"

Kuratiert von Kunsthall Stavanger

Performance von Hanne Lippard für die "Cabin Series"

Kuratiert von Kunsthall Stavanger

Künstler Jon Benjamin Talleras (oben), Kuratorin Rhea Dall (rechts)

Künstler Jon Benjamin Talleras (oben), Kuratorin Rhea Dall (rechts)

Installation von Gerasimos Floratos für die "Cabin Series"

Kuratiert von Schloss (Ausstellungsraum)

Installation von Gerasimos Floratos für die "Cabin Series"

Kuratiert von Schloss (Ausstellungsraum)

Performance von Nils Bech

Performance von Nils Bech

Performance von Tori Wrånes

Performance von Tori Wrånes

Foto: Jon Benjamin Talleras

Foto: Jon Benjamin Talleras

Coast Contemporary: Mit Schiff, Fisch & Schaum

von Robert Schulte

Logbuch einer Kreuzfahrt entlang der norwegischen Küste.

 

Donnerstag, 21. September

Wir waren eingeladen, an einer Kreuzfahrt teilzunehmen, vom Norden in den Süden Norwegens. Von Svolvaer nach Bergen. Am Mittwoch flogen wir mit einem Propellerflugzeug auf die Lofoten, um zuerst die Biennale zu besuchen: viele Videoarbeiten in dunklen Räumen, ein Soundwalk von Daisuke Kosugi auf einem Fußballplatz zwischen Felsen, Wasser, Leuchtturm und der tief hängenden Sonne („Good Name (Bad Phrase)“, 2017). Eine Performance von Adam Linder („To Gear A Joan“, 2017), in der eine Frau eine Rüstung trägt, die sie ablegt und neu zusammensteckt, um in ihrem Schienbeinschoner zu lesen; sie singt, vielleicht ist sie ein Cyborg. Beim Hinausgehen passiert die Frau „Story Telling For Earthly Survival“ (2016), ein Film von Fabrizio Terranova über Donna Haraway.

„I Taste the Future“, kuratiert von Heidi Ballet und Milena Hoegsberg: die Gegenwart von einem abgelegenen Ort aus besser denken, andere Zukünfte in der Peripherie entwerfen, der Versuch, apokalyptisch beschränkten Gedanken mit Science Fiction zu entwischen – Hilfe durch Kunst. Alles sieht so schön aus hier, und das Wasser aus dem Wasserhahn schmeckt bemerkenswert.

Im Anschluss auf das Schiff. Hurtigruten ist die Bezeichnung der berühmten norwegischen Kreuzfahrtschiffe. Wir sind um die 90 Personen, relevante Akteure der norwegischen Kunst – Institutionen, Ministerien, Kuratoren, Künstler – und unzusammenhängende Ausländer. 90 Personen machen das Schiff nicht voll. Hurtigruten-Kreuzfahrtschiffe werden wie alle Kreuzfahrtschiffe von alten Leuten gebucht, und von jungen, verlorenen Paaren. Und von Deutschen.

Am ersten Abend Buffet, die Passagiere bücken sich tief in die Schüsseln, um mit ihren schlechten Augen im schlechten Licht die Gerichte zu erkennen. An Deck gibt es zwei Jacuzzi. Ich sitze darin und am Himmel bilden sich Nordlichter.

 

Freitag, 22. September

Das Schiff ist eine kleine, primitive Form von Kontrollgesellschaft, alles geht oder geht nicht wegen der Karte. Rein/raus, Sauna offen/Sauna geschlossen, Sachen kaufen im Kiosk – alles regelt die Karte.

Das Schiff passiert am Morgen den Polarkreis. Metallene Skulpturen auf kleinen Inseln kennzeichnen das. Ein Grund zum Feiern, der Kapitän verteilt an Deck Getränke in Bechern. Man steht an. Dann: kein Schnaps, Fischöl.

Für unsere Gruppe, die unter dem Titel Coast Contemporary reist, gibt es ein ganztägiges Programm: Lesungen und Panels im Konferenzraum. Schnell lichtet sich der Kreis, man ist lieber an Deck.

Am Nachmittag beginnt die „Cabin Series“ – drei Kabinen wurden extra dazugebucht, um sie den Galerien und Ausstellungsräumen und deren Künstlern für einen Tag zu überlassen. Heute: Performances von Hanne Lippard (präsentiert von der Kunsthall Stavanger) und eine Performance-Retrospektive von Nora Joung (UKS, kuratiert von Rhea Dall) im Halbstunden-Takt. In der Kabine von Nancy Lupo ("Hold the Phone", Ausstellungsraum 1857) liegt eine Telefonnummer auf dem Tisch. Man soll anrufen. Ich habe Sorge, mit noch mehr Fremden reden zu müssen und gehe schnell wieder.

Am Abend Filmprogramm mit Arbeiten norwegischer Künstler, schlecht besucht. Der Lautsprecher-Aufruf für die anderen Gäste hat keinen Erfolg. In den Gemeinschaftsräumen wird norwegisches Fernsehen geschaut.

Anschließend Captain’s Dinner, Platzzuteilung, wieder aufstehen, die Crew singt ein Lied.

 

Samstag, 23. September

Landgang Trondheim: Aufteilung in zwei Gruppen, Besuch der Ausstellung „A New We“ in der Kunsthalle Trondheim. Wieder ökologische Themen, wieder Donna Haraway. Die Schiffe der Hurtigruten haben in den letzten Jahren einen schlechten Ruf bekommen, weil sie die Umwelt verschmutzen.

Zurück an Bord, Kabinenprogramm: Hanna Fauske (Rake visningsrom) hat in ihrer Kabine viel Schweinefleisch verteilt, auf dem Tisch, in einem Koffer, auf dem Sofa, den Schränken, im Bett. Es stinkt. Auf Kreuzfahrtschiffen ist man penibel darauf bedacht, keine Keime zu vermehren. Immer dann, wenn die Karte gescannt wird, soll man auch die Hände hinhalten, um desinfizierenden Schaum zu empfangen. Wegen des ungekühlten Schweinefleisches in der warmen Kabine kommt jemand von der Besatzung und macht Fotos.

Außerdem noch: Eine Installation von Gerasimos Floratos in der Kabine von Schloss und eine Soundarbeit von Danilo Correale (Entrée).

Noch ein Panel: „Challenging the boarders of biennials – A conversation with documenta 14, Bergen Assembly and LIAF 2017.“ Paul B. Preciado und Andrea Linnenkohl vom kuratorischen Team der Documenta sind in Trondheim an Bord gekommen und sollen mit anderen Gästen über Biennalen-Konzepte reden. Sie sind angespannt, reißen die Mikrofone an sich, schimpfen über die Kommunalpolitik in Kassel, die Kasseler Tageszeitungen, die die Kasseler aufhetzten, reden über die Notwendigkeit von Allianzbildung in der Kunstwelt. Das Auditorium ist verstört. Sie hätten früher an Bord kommen müssen. Alle sind mittlerweile sehr entspannt.

Am Abend komme ich zu spät zum Essen, ich werde am Eingang zurechtgewiesen, bekomme Ärger. Meine Karte soll erst nicht gescannt werden, dann doch. Dazu Schaum in die Hände. Immer die Frage: zu wem setzen?

Danach eine Gesangsperformance von Nils Bech in der Espolin Johnson Lounge, Preciado und Linnenkohl hören in der ersten Reihe zu und wirken nun sanfter.

Auf dem Weg in die Sauna fängt mich Tanja Saeter ab, die Organisatorin von Coast Contemporary. Sie will mir jetzt das Konzept des Projektes erklären. Sie hat bemerkt, dass man es nicht versteht, findet das aber nicht schlecht.

 

Sonntag, 24. September

Abschied nehmen. Vor der Landung in Bergen lässt sich Tori Wrånes als Troll verkleidet im Aufzug des Schiffes einsperren. Das Schiff heißt MS Trollfjord. Die Performance wird über Lautsprecher angesagt: „Ein Troll steckt im Aufzug fest“. Viele Passagiere möchten das sehen. Sie lachen herzlich.

Am Abend Abschlussfeier in der Kunsthalle Bergen. Mykki Blanco ist da und die Erinnerung weg.

 

Coast Contemporary ist kuratiert von HELGA MARIE NORDBY und TANJA SAETER.

ROBERT SCHULTE ist Online-Redakteur bei Spike. Er lebt in Berlin.