"No Longer Art" – Salvage Art Institute bei BNKR
Der Alptraum eines jeden Kunstsammlers oder Kurators: Der „Red Balloon Dog“ von Jeff Koons fällt auf den Boden und zerschellt in tausend Stücke. Ein Kunstwerk unwiederbringlich verloren, das investierte Geld: futsch! Möchte man meinen. Aber im realen Alltag des Kunstbetriebs ist alles halb so schlimm. Der Koons lässt sich nachproduzieren, und die Versicherung zahlt sowieso.
Ausgehend von solchen Transport- oder Lagerschäden denkt die Ausstellung „No Longer Art“ des Salvage Art Institute (SAI) über den Status des Kunstwerks nach, indem sie künstlerische Arbeiten präsentiert, denen der Kunststatus aus versicherungsrechtlichen Gründen aberkannt wurde. Seit 2009 trägt Elka Krajewska in Zusammenarbeit mit Mark Wasiuta unter dem Label SAI Werke zusammen, die insbesondere der AXA-Versicherung als Totalschäden gemeldet wurden. Werke also, die als so stark beschädigt eingestuft wurden, dass eine Restaurierung entweder nicht mehr möglich war, oder aber die Wiederherstellungskosten den Verkehrswert überstiegen hätten. Solche Schadensfälle werden nach der Auszahlung der Versicherungssumme aus dem Verkehr gezogen. Sie werden aber nicht etwa zerstört, sondern in einem Lager aufbewahrt.
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Auf mobilen Rollwägen aus Schichtholz präsentiert und mit einer technisch anmutenden Nummerierung versehen, ist im BNKR nun ein gutes Dutzend solcher Arbeiten zu sehen. Außerdem liegen die Schadensberichte zur Einsicht aus. „No Longer Art“ ist Teil des Programms „Stop making sense, it’s as good as it gets“, das von Joanna Kamm und Ludwig Engel entwickelt wurde.
"Können Kunstwerke wirklich wie Autos behandelt werden, bei denen ein Totalschaden genau mit der Formel ‚Reparaturkosten > Verkaufswert‘ definiert wird?"
Interessanterweise stellen sich nur die wenigsten der angeblichen Totalschäden als tatsächlich derart irreparabel dar wie der zerstörte Jeff Koons. Viele der Arbeiten weisen nur Kratzer, Schimmelspuren, Wasserschäden oder Risse auf, die ihre ästhetische Integrität nur wenig beeinträchtigen. Das wirft die Frage auf, in welchem Verhältnis der „eigentliche“ künstlerische oder ideelle Wert zum Kaufpreis oder Versicherungswert steht, ab wann es also gerechtfertigt erscheint, nicht mehr weiter in den Erhalt eines Kunstwerkes zu investieren. Wäre der ausgestellte Rauschenberg auch in einem Museum als Totalschaden ver-bucht worden, oder hätte man dort nicht viel eher die kaum sichtbaren Kratzer von einem Restaurator beheben lassen? Können Kunstwerke wirklich wie Autos behandelt werden, bei denen ein Totalschaden genau mit der Formel „Reparaturkosten > Verkaufswert“ definiert wird? Schon die Praxis der Versicherung, die Werke nicht zu verschrotten, lässt vermuten, dass es sich bei Kunst eben doch nicht um eine beliebige Ware handelt, sondern um ein Kulturgut, das an sich schützenswert ist.
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Nun heißt es in den Richtlinien des SAI, es ginge vor allem darum, die Kunstwerke in einem Zustand zu zeigen, in dem sie von ihrem Warencharakter und ihrer Zirkulationspflicht befreit sind. Ihr „Recht auf Unabhängigkeit“ solle gewahrt werden. Dieser „Rettungsgedanke“, der sich auch im Begriff „Salvage“ widerspiegelt, ist angesichts überdrehter Kunstmarktpreise verständlich, zugleich aber auch schwierig. Läuft man nicht Gefahr, ein „Eigentliches“ in der Kunst suchen zu wollen, das jenseits des monetären Wertes existiert? Sind wir über solche Essentialisierungen des Kunstbegriffs nicht längst hinaus? Dass die Werke auf mobilen Untersätzen gezeigt werden, und nicht etwa an der weißen Wand, soll einer solchen auratisierten Lesart offenbar entgegenarbeiten. Nur um das Stillstellen der Warenzirkulation kann es ohnehin nicht gehen, denn dem Markt entzogen sind ja auch Werke in Museen. Oft preiswert direkt vom Künstler erworben, sind manche heute Millionen wert. Auch sie dürfen nicht veräußert werden, selbst wenn der Staat hohe Schulden hätte. Ihre verbriefte Funktion liegt nicht in der Kapitalanlage, sondern darin, künstlerische Ideen zu bewahren und ästhetische Auffassungen zu vermitteln. Das Projekt „No Longer Art“ scheint also entweder nicht nur auf den Marktentzug, sondern auf die vollständige Entauratisierung des Kunstwerks abzuzielen (wie es seit den 1980er Jahren immer wieder gefordert wird), oder aber ist eine Art melancholisch-romantische Reaktion auf ein durch den Kunstmarkt völlig entfremdetes Kunstverständnis.
"No Longer Art: Salvage Art Institute"
BNKR
12.11.2017 – 25.2.2018
– Dieser Text ist in der Printausgabe Spike Art Quarterly #54 erschienen. und kann im Online-Shop bestellt werden –
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